Sonntag, 7. Februar 2016

Die Eichen


Auf eines Baumes Ast, da liebten sich zwei Tauben. Im Einklang ihres Tanzes aus ihrem Fleisch und Blut, da fiel von einer Eiche eine kleine Frucht mit Hut. Mama Eiche legte ihr Baby sanft ins Körbchen aus Wurzelgeflecht. Unter einem warmen Deckchen schlief der stolzen Eltern erstes Kind. Das Deckchen hatte seine Mama handgeknüpft. In apfelgrün mit einem Glückspilz drauf. Staunend mussten beide Eltern lachen, denn eines fiel ihnen beim Wiegen ihres Babys auf: "Sieh nur, dieser wunderschöne Glückspilz, außen wie innen. Oh ja!"


Bild: Romy Busch © 2016

Geborgen inmitten ihrer Familie der großen Eichen, wuchs die Frucht zum Sprössling heran. 
Sie blieb nicht lang alleine und ihr größter Wunsch nach einer kleinen Schwester ging in Erfüllung. 
Draußen stürmte der Wind durch die Äste an diesem kalten Oktobertag. Bunte Blätter wirbelten durch den heimischen Wald. Sie erinnert sich noch gut. Da fiel von Mama Eiche eine kleine Frucht mit Hut. Überglücklich schauten alle drein. Zum Sprössling gesellte sich ein kleines Schwesterlein. Rasch heizte Papa Eiche den Kachelofen an, während die Mama ihr Baby stillte und wickelte. 
Für dessen Stubenwiege hatte sie Kissen und Himmel aus zart rosa Blütenstoffen selbst genäht. Tolle Rüschen verzierten hübsch den Saum. Selig träumend schlief der stolzen Eltern zweites Kind darin. 
Doch "Holla", die kleine Prinzessin vermochte kräftig zu schreien. Bekam sie Hunger, konnten die Portionen Muttermilch nicht ergiebig genug sein. Vorerst war an ein gemeinsames Spielen mit dem Schwesterchen nicht zu denken. 
Der Ringelreihen ging zur Not auch mal allein. Kreisend um den Küchentisch. Ihre Hände in die Hüften gelegt trällerte und hopste die jetzt 'Große' los. "Ein lustiger Peter bin ich, und bin dabei so froh, und alle, die im Kreise stehen, die machen ebenso. Tirulla, rulla, rulla, ..."

Wie dann der Winter raus in den Schnee lockte, blieb Papa beim Baby zuhause. Die Große ging mit Mama allein raus zum Schlitten fahren. Geteilte Freude brachte gleich doppelte Freude. Rauf und runter, immer munter riefen sie vergnügt: "Bahn frei Kartoffelbrei, hinterm Ofen liegt ein Ei!"
Die Aussicht auf Papas heißen Kakao plus eine leckere Kochkäsestulle lockte sie schließlich von der Rodelpiste.

Das Band zwischen den Schwestern wuchs jedoch geschwinde und im Laufstall war Platz genug für zwei. 
Welch einfache Sachen zu zweit gleich viel mehr Laune machten. Bücher schauen, Klötzchen stapeln oder einfach übern Boden robben. 
Spielen mit dem roten Kaufmannsladen und dem tollen Puppenhaus. Alles waren Unikate aus der Werkstatt ihres Papas. Nur im Streit um den großen Puppenwagen gab es einfach kein Vertragen.
Ein Vergnügen für sie Kinder war, das gemeinsame Bad am Samstagabend. Glich es auch einer Wasserschlacht, beim Fontänen spucken wurde sich kaputt gelacht. Papa Eiche hatte seine liebe Not die Wale trockenen Fußes wieder an Land zu holen. 
Während dessen zauberte in der Kombüse die Mama leckere Toasts Hawaii. Drei Mal sprach sie: "Simsalabim!" Und es ward angerichtet. Gefräßige Stille herrschte dann. Satt und duftig frisch zwei Früchtchen nun eingekuschelt in einem Sessel saßen. Sie freuten sich aufs gemeinsame Fernsehen gucken. Für die Kleinen bei Capri Brause und Salzstangen. Die Eltern genossen sich ein Gläschen vom roten Wein. "So meine drei Mädels", eröffnete Papa Eiche, "jetzt stelle ich uns zur Freude einen 'Kessel Buntes' ein." Alle vier zusammen hatten einen riesigen Spaß. Lud die Musik zum Tanzen ein, wurde aus der Stube ein festlicher Ballsaal. Sie lebten so glücklich auf kleinstem Raum. 
Telefon und Automobil, wer brauchte das derzeit wirklich schon. In den Urlaub fuhren sie nicht schlechter mit dem Bus und der alten Eisenbahn. Hier begann ja erst das Abenteuer. Jeder nahm nur mit, was in seinen Rucksack passte. Es manchmal gar unmöglich schien, ihr Urlaubsziel verfehlten sie natürlich nie. Ob in den Bergen, an der See oder eben in Ilmenau, ihr Himmel war überall blau. Hotel, Bungalow, Pension, dass war ihnen schnurz egal. Sie schliefen auch hoch überm Ochsenstall. Sicher bewacht vom Huhn auf der Truhe unter der steilen Treppe.
Mit einer Bockwurst vom Schwein in ihren Bäuchelein, wanderten sie über Stock und Stein. Keine Burg blieb unentdeckt. Kein Turm und Gipfel unbestiegen. Kein Schloss aus Sand ungebaut. Papa lehrte Stöcke schnitzen und auf Gräsern pfeifen. Mama stimmte zur Motivation selbst gereimte Liedchen an. Als Belohnung ließen sie alle dann im Bach ihre Füße baden.
Die Ferien bei Oma und Opa auf dem Bauernhof oder bei den Großeltern in der Stadt liebten ihre Kinder ebenso sehr.
Kein Ferienlager der Welt konnten sie jemals ersetzen.  

Alle Geburtstage und Feste des Jahres wurden kräftig gefeiert mit dem schönsten Budenzauber und ihren Gästen. Überraschung, Spiel und Spaß kreierten sie für groß und klein richtig fein. 
Zu Fasching schneiderte die Mama eigens entworfene Kostüme. Kramte passende Perücken raus. Mit der Klampfe in der Hand, führte so dann, Pippi Langstrumpf zur Polonaise an. Gefolgt vom beschwipsten Piraten, einem gestiefelten Kater und der kleinen Maus ganz hinten dran.
An einem Heiligabend mal, da kam sogar der echte, liebe, gute Weihnachtsmann. Der Tannenbaum erstrahlte, Papas einmalige Pyramide drehte und zur Familie Schöbel erklang ein ganzer Stubenchor. Knisternde Spannung umgab die muntere Runde, denn zur frühen Dämmerstunde, so hieß es, beginne der Weihnachtsmann seine Hausbesuche. 
Dreimal klopfte es laut an die Stubentür. Drinnen piepsten zwei Stimmchen leise ängstlich: "Komm bitte herein!" Doch noch ehe der große weißbärtige Mann "Guten Abend" sagen kann, fällt ihm das eine Früchtchen in sein Wort. "Warum hast du denn Papas Latschen an?" 




Viel zu schnell vergingen all die schönen Jahr' für das glückliche Elternpaar. Sorglos, sicher und behütet wuchsen ihre beiden Eichenkinder heran. Zu gesunden, kräftigen Bäumen. Sie standen nun fest in ihrem eigenen Leben und so zogen sie ganz wohlgemut in die weite Welt hinaus.

Niemand konnte es erahnen, als ganz plötzlich dann, die Mama mitten aus ihrem Leben fiel. 
Eine Krankheit riss ihnen ihr Liebstes schmerzhaft fort.


Dicht ganz dicht sich tröstend jetzt drei sehr traurige Eichen wogen. 
Schwere Jahre vergingen. Ihre Herzen weinten lang bis ein neuer Frühling für sie kam.




Und siehe da, schon hielt man(n) um die Hand seiner hübschen Töchter an. Papa Eiche prüfte wohlwollend. Schenkte schließlich den edlen Prinzen sein Vertrauen und führte feierlich die holden Bräute zum Traualtar. 
Mama Eiche schickte ihren Segen mit jedem einzelnen Sonnenstrahl.
Auch der Papa selbst fand sogar ein weiteres pures Glück.
Alle wachsen sie mutig zusammen. In guten wie in schlechten Zeiten. 
Zwei Enkelkinder sitzen heute auf seinem Schoss. Deren Freude auf Cousinen und Cousins ist schon groß.
Kein Sturm konnte die Eichen je entwurzeln. Ihre Kronen ragen himmelwärts. Ihre Liebe ist bedingungslos. Sie sind immer füreinander da.





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